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Teil 2 von den Fachartikeln: brutal für immer jüngere Opfer

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Teil 2 von den Fachartikeln: brutal für immer jüngere Opfer

Beitrag#1von ruebezahl » 24. Aug 2008 18:12

Liebe Leser,
neulich habe ich aktuelle Fachliteratur gesichtet.
Weniger als 2% der deutschen und 1% der englischsprachigen ist heutzutage über herausnehmbare Spangen. STATTDESSEN - in Kürze, 1 und 2 siehe Teil 1:
1) Knochenpiercing, mit oder ohne Operation, + feste Spangen schon für 8- bis 12-Jährige!
2) Feste Einbauten aus Draht und flächigem Plastik (!), ab 7 Jahre!
3) Massiver Metallverbau für 12-Jährige, die zuvor schon etliche Jahre in Behandlung waren, in denen man leicht sanftere Methoden hätte nutzen können!
4) Mutwilliges Zuwarten bei Engstand, um dann 4 gesunde Zähne zu ziehen!
5) Und Gaumennahtsprengungen, Außenspangen und jedwede Behandlungsmaximierung sowieso.
Und solche Täter publizieren nicht nur, sondern geben auch Lehrgänge. Schließlich verrohen dann die Behandlungsmethoden in den Praxen. Siehe z.B. meinen neulichen Nachtrag im Thema „Gaumennahtsprengung gegen Bettnässen...“.
Im Detail:

Ein Artikel war ein Vergleich von Behandlungsdauer und -aufwand nach Zähneziehen (4), das in der einen Gruppe Patienten erst nach Abschluss des Zahnwechsels erfolgte,und in der anderen frühzeitig. Diese sog. Serienextraktion, ein traumatisierendes Gemetzel aller Milch-3er, Milch-4er und bleibender 4er im Kindesalter, muss ein Relikt aus einer Zeit sein, als es noch keine Hilfsmittel zur Anregung der Kieferentwicklung gab.
Beide Gruppen sind nun zu einem Leben mit verkleinerten Kiefern, also auch verkleinertem Mund- und Zungenraum, verkleinerten Nasen-Atemwegen und unterentwickelt wirkender Mundpartie verurteilt.
Da zudem jeder Zahn ein Wachstumsfaktor ist, und ein gezogener Zahn eben nicht, fehlt der Platz für die Weisheitszähne oft trotzdem. So dass diese Opfer der Schlechtbehandlung ihr Leben mit nur 24 Zähnen statt 32, also mit einem 3/4-Gebiss meistern müssen.

Eine 10 Jahre alte Umfrage zum Frühbehandlungs-Verhalten von deutschen KFO-Fachpraxen ergab, dass die Mehrheit der Kieferorthopäden Engstände nicht als Indikation zur Frühbehandlung sehen (die Kassen haben diese Sichtweise übernommen).
Frühbehandlungen vom offenem Biss, seitlichem Kreuzbiss oder schädlichen Angewohnheiten (Habits) gab es teils-teils.
Am frühbehandlungswürdigsten war die Progenie, die 68% damals noch mit FKO behandelten, vor allem mit dem FR 3, sowie 45% mit Außenspangen (Kinnkappe, Delaire-Maske), 34% mit Platten (die Rückschubdoppelplatte war damals noch nicht eingeführt) und 25% mit Multibracket.
Da Progenie bei uns selten ist (ca. 5% Betroffene), entfielen größere Anteile der durchgeführten Frühbehandlungen auf:
48% frontaler Kreuzbiss eines oder mehrerer Zähne (unbehandelt kann daraus Progenie werden)
17% seitlicher Kreuzbiss
8% schädliche Angewohnheiten.

4) Ungeachtet dieser Zahlen wird in einem 2-Generationen-Mutter-Töchter-Progenie-Artikel der Uni Würzburg der Platzeinengung schon mit 4, 6 sowie 7 Jahren untätig zugesehen, um später Zähne zu ziehen und die Lücken mit festen Spangen zusammen zu zwingen (was bei der Mutter trotzdem keine perfekte Verzahnung ergab).
Die Progenie wurde nicht nur bei der Mutter ab 4 Jahren (1971) langjährig mit einer Kopf-Kinn-Kappe behandelt, die NICHTS für die Entfaltung des Oberkiefers tut oder Platz gewinnt, und die schon Leute unter der Knochensäge hat enden lassen. Sondern auch die Behandlung ihrer 6- und 7-jährigen Töchter wird damit begonnen, und die Lückenöffnung unterlassen, die inzwischen doch mit der Rückschubdoppelplatte simultan möglich wäre, wie das Fallbeispiel für einen ganz ähnlichen Anfangsbefund zeigt:
www.sanfte-zahnklammern.de/fallbeisp/rdp/rdp.html

5) 5 Jahre nach o.g. Umfrage wirft ein knapp 9-jähriges Opfer ein Schlaglicht auf die Frühbehandlungs-Methoden an der Uni Halle-Wittenberg. Es wurde im frühen Wechselgebiss wegen moderatem beidseitigem Kreuzbiss und frontalem Kopfbiss (ohne Engstand) 11 Monate mit Gaumennahtsprengung und Gesichtmaske gequält, mit der schrottigen Bauform mit der Stange mitten vor dem Gesicht, und bekam dann zur Retention auf unbestimmt eine Quadhelix eingebaut. Wohl bis eine Bracket-Spange eingebaut werden kann, denn die Pflugschar-Stellung der Schneidezähne blieb bisher unkorrigiert. In dieser ganzen Zeit (samt Quadhelix) hätte man auch mit o.g. Rückschubdoppelplatten zu Potte kommen, dabei die Schneidezähne mit korrigieren und dann die Platten zur Retention nutzen können!
2x Frühbehandlung im Ausland:
In Finnland, dessen Gesundheitssystem vergleichsweise billig ist, aber Wünsche offen lässt, erfolgte eine stichprobenartige Umfrage im 1979er Jahrgang in einer Stadt bei Helsinki, wo Kieferorthopädie bis 18 Jahre kostenlos angeboten wurde (was nicht finnlandweit so ist, sondern kommunal geregelt).
Der Behandlungsbeginn lag zwischen 7 und 16 Jahren, im Durchschnitt 10, also Wechselgebiss. Nichtapparative Präventionsmaßnahmen wie z.B. Einschleifen oder Lutschen abgewöhnen wurden nicht mitgezählt.
Zwar wurden nur 37% mit Multibracket behandelt, ABER weitere 33% mit Headgears, 14% mit Quadhelix, 13% mit einem von beiden und herausnehmbarer Spange, und nur 3% mit herausnehmbaren Spangen allein, sowie 2% allein mit Zähneziehen (wohl o.g. Serienextraktion). Dass die Summe 102% ergibt, kommt vom Runden.

Die nun 20- oder 21-jährigen Behandelten scheinen zudem von Alternativen kaum zu wissen. Denn nur 9% der Behandelten würden sich das nicht wieder antun lassen. Außerdem weisen Behandelte und Unbehandelte keine signifikanten Unterschiede in ihren Fehlstellungen auf, und auch nicht in ihrer Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit ihrer Zahnstellung! Folglich sehen die Autoren keinen Mehrbedarf an Kieferorthopädie. Aber wie rückfallträchtig das In-Form-Zwingen ist, wird nicht erwähnt.
Deutungen: wer die Behandlung bezahlt, das hat vielleicht auf das Behandlungsalter Einfluss, aber kaum auf die Verrohung der Methoden. Headgear und Quadhelix ohne Multibracket als Schweinebilligdreckmethode, die mehr durch die Allgemein- und Kinderzahnärzte in den Polikliniken ausgeübt wird, während die Bracket-Behandlungen mehr durch Spezialisten erfolgten.
Die wirtschaftlichen Erwägungen reichen nicht so weit, dass an (funktionelle) Behandlungsmethoden gedacht würde, die Weisheitszahn-Malessen vermeiden. Im Gegenteil verschiebt ein Headgear eine Platzeinengung lediglich in die Weisheitszahn-Region.

Etwas schöner ließ sich ein Vergleich von Quadhelix oder Dehnplatten in Schweden an, gegen 1-seitigem Kreuzbiss und samt gesunder Kontrollgruppe.
Der Breiten-Gewinn mit fester und herausnehmbarer Apparatur war ähnlich, letztere brauchten 2/3 länger (12,5 statt 7,7 Monate – wobei sie allerdings weitere Korrekturen z.B. der Schneidezähne vornehmen könnten). Allerdings hatten 5.5 Jahre später, kurz vor Wachstumsabschluss, von je 19 Probanden 3 der Quadhelix-Gruppe, aber nur 1 der Platten-Gruppe einen Rückfall, siehe Finnland. Überdies waren die Oberkiefer-Breiten, nicht jedoch die Unterkiefer-Breiten bei allen nachuntersuchten Behandelten geringer als bei der gesunden Kontrollgruppe.
„Gut Ding will Weile haben“, könnte man nun meinen. Aber dennoch wurde die Quadhelix in den zitierten Referenzen 6x und Platten nur 2x zur Frühbehandlung empfohlen. Wer hier die Fahne der Zivilisation noch hochhält, ist Tränkmann z.B. mit einem 2001er Artikel über die Frühbehandlung von Oberkiefer-bedingter Progenie, samt Kreuzbissen, mit Platten oder Funktionsreglern.

3) FMA, ein Paradebeispiel für Behandlungsmaximierung:
Ein Gewalt-Verfechter und Behandlungs-Maximierer, der auch Kinderversuche mit dem Pendulum macht (siehe Teil 1), filetiert sich 2 Kinder zurecht, um an ihnen sein zweites Schätzchen auszuprobieren, das er sicherlich patentiert hat: den FMA = Functional Mandibular Advancer.
„Funktionell“ wird als Suchwort für sanfte KFO immer unsicherer, zumal „biofunktionell“ auch schon eine Art Feste-Spangen-Marke bezeichnet.
Bei dem jüngeren, anfangs noch nicht 11-jährigen Opfer mit Tiefbiss und Engständen (mitnichten extrem) wurde erst mit faulen Alibi-Platten bis zum Abschluss des Zahnwechsels herumgemacht, dann mit Multibracket (ohne Gummibänder spannen zu lassen), um dann nach schon fast 3.5 Jahren (!) diesen FMA für fast 7 Monate einbauen zu können. Es folgten abermals 1.5 Jahre Multibracket, macht total 5.5 Jahre, in diesem rechtzeitigen und minder schweren Fall.
In dieser Zeit hätte das jeder auch nur mäßig begabte Ganzheitliche mit einem Bruchteil des apparativen Aufwandes, ohne Quälerei und mit vermutlich stabilerem, da selbstgewachsenem Ergebnis hingekriegt, und kostengünstiger auch. Denn der FMA, bei dem sämtliche 4er, 5er und 6er massiv in Metall gefasst werden, ist teurer Modellguss und bestimmt keine Kassenleistung (Privatpatienten, VOOORSICHT!). Dennoch ragt er fast 10 mm in die Backentaschen, etwa doppelt so viel wie ein durchschnittliches Herbstscharnier – und auch mehr als die seitlich beweglicheren, aber dafür dickeren Herbstscharnier-Modelle.
Wollte man die unter dem FMA massiv verbauten Zahnfleischränder mit der Zahnbürste säubern, würde das die zerschundene Wangenschleimhaut wohl immer wieder bluten lassen. Und ein ganzer Bissen Essen mag dahinter in die wunde Wange verdrängt werden, ohne dass die Muskulatur ihn wieder zwischen die Zähne zurückschieben kann – weil sie ja auf 1 cm Abstand gehalten wird.
Das zweite Opfer, anfangs 11.5 Jahre, mit bleibendem Gebiss, leicht beengten Eckzähnen oben und minimalen Fehlstellungen unten, wurde hier fast ebenso lange mit Multibracket, FMA und nochmal Multibracket malträtiert. Dabei wären die Fehlstellungen in dieser Zeit bestimmt auch mit einer Z-Platte und dann einem Kau-Trainer für die (moderate) Korrektur der Bisslage, oder auch mit Pro-Stab-Platten zu beheben gewesen.
ALLERDINGS ich hatte bisher noch keinen Ratsuchenden, dem so ein FMA angedroht worden war. So überzeugend scheint er nicht zu sein, im Gegensatz zu den zunehmenden Herbstscharnier- und Knochenpiercing-Geschichten (siehe Teil 1).
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